Boys-Day in Hamburg – Besuch im Strafjustizgebäude
Am 23.04.2015 war mal wieder Girls- und Boys-Day. Diesmal ist mein Sohn (12) mit mir gekommen. Da er schon immer mal beim Papierkram helfen durfte, war das nicht mehr so interessant für ihn. Wir sind daher zu den Gerichten gefahren und wollten an einigen Verhandlungen teilnehmen.
In Hamburg haben wir das Glück, dass hier alle Gerichte an einem Ort sind, da Hamburg ein Stadtstaat ist. Es sind zwar diverse Amtsgerichte über das Stadtgebiet verteilt, aber die Landgerichte für Zivilsachen und Strafsachen sowie das Oberlandesgericht befinden sich alle am Sievekingplatz beim sogenannten Justizforum. Dort ist auch noch das Amtsgericht Mitte (Zivilsachen und Strafsachen) untergebracht.
Natürlich wollten wir unbedingt die eine oder andere Verhandlung in Strafsachen anschauen. In der Vergangenheit hatte ich jedoch schon erlebt, das Richter Kinder gar nicht gerne im Gerichtssaal sehen. Wir wollten es aber versuchen.
Die erste Hürde ist bereits die Eingangskontrolle. Hier wird nach Männlein und Weiblein getrennt: Damen links, Herren rechts. Wir haben uns wie jeder Besucher in die Schlange eingereiht. Mein Sohn durfte mit mir gemeinsam hinein; normalerweise darf immer nur eine Person zurzeit durch die Schleuse. Zunächst geht man durch ein Drehkreuz, das für jede Person extra entriegelt wird. Hinter Panzerglas sitzt eine Mitarbeiterin (bei den Herren ein Mitarbeiter). Hier müssen Waffen, Handys, Kameras etc. abgegeben werden. Jacken, Taschen und auch Gürtel werden geröntgt. Man selber geht durch einen Metalldetektor – wie am Flughafen. Dann wird die Tür entriegelt und man ist drin! Dann erst darf die nächste Person durch das Drehkreuz. Man kann sich denken, dass es dadurch etwas dauert, wenn mal viel los ist. Auch hinaus kommt man nicht einfach so, aber dazu später mehr.
Sofort habe ich gemerkt, dass etwas anders ist als sonst: überall junge Menschen – Girls- und Boys-Day eben und viele Zivilrechtler (wie ich), die den Kindern mal etwas bieten wollten. Da man an der Terminrolle (so nennt man die Auflistung der Verhandlungstermine, die neben der Tür hängt) nicht (mehr) sehen kann, um was es geht, sind wir einfach mal irgendwo hinein gegangen.
Der erste Fall war nicht so spannend. Die Verhandlung hatte schon begonnen, die Verlesung der Anklage hatten wir also schon verpasst. Auch das Delikt war für einen jungen Menschen vielleicht etwas abstrakt: Bankrott (§ 283 StGB) und falsche eidesstattliche Versicherung (§ 156 StGB). Aber es gab einen Strafverteidiger, der sich ordentlich ins Zeug legte, eine strenge Richterin und eine nicht so strenge Staatsanwältin. Die Angeklagte zog es vor, nicht so viel zu reden. Dafür gab es am Ende ordentliche Plädoyers (die Staatsanwältin war vielleicht etwas leise) und ein überraschendes Urteil: eine Geldstrafe auf Bewährung! Ja gibt es denn so etwas? Ja das gibt’s und das wissen viele Studenten bestimmt auch nicht.
Wir sind dann noch in einen anderen Saal gegangen. Diesmal ging es um Körperverletzung. Darunter kann sich auch ein 12jähriger schon etwas vorstellen. Auf der Rolle stand groß HAFT – spannend. Wahrscheinlich deswegen war es auch rappelvoll. Als dann noch ein Freund des Angeklagten zuschauen wollte und kein Platz im Zuschauerraum mehr fei war, durfte dieser sogar nach vorne in den Saal. Der Angeklagte wurde aus der Haft vorgeführt, also direkt aus der neben dem Gericht befindlichen Untersuchungshaftanstalt. Dafür gibt es im Gebäude viele „Geheimgänge“, die direkt in die einzelnen Gerichtssäle führen. Ein Justizbeamter begleitete den Angeklagten und blieb natürlich die ganze Verhandlung dort. Fünf Zeugen waren ebenfalls geladen.
Diesmal gab es einen Richter, der ziemlich autoritär rüberkam. Erstmal musste die Mütze eines Zuschauers ab und später erhielt eben dieser Zuschauer eine Standpauke, weil er dazwischen geredet hatte. Da wurden die Kinder im Saal plötzlich sehr leise.
Nachdem der Angeklagte gestanden hatte, dem Geschädigten „die Faust gegeben zu haben“, sah es zunächst so aus, als könnte auf die Zeugen verzichtet werden. Dann schilderte der Angeklagte aber die Situation so, dass auch ein Rechtfertigungsgrund möglich war, also wurden die Zeugen doch gehört.
Langer Rede kurzer Sinn: nach drei Zeugen sind wir gegangen, es hatte lange gedauert und es war sehr anstrengend. Das Urteil kennen wir nun leider nicht.
Um aus dem Gebäude wieder hinaus zu kommen, muss man am Ausgang einen Knopf drücken. Eine Tür öffnet sich einen Spalt, man tritt in eine Nische, die Tür schließt sich und auf der anderen Seite geht die Tür auf. Nichts für Leute mit Platzangst. Es geht aber ganz fix. Auch hier kann also immer nur ein Mensch zur Zeit hinaus.
Wir waren dann noch im Oberlandesgericht auf Fotosafari, haben mit einem sehr netten Justizbeamten geredet und sind dann zum Abschluss im Ziviljustizgebäude gewesen. Wir haben dort auf den Besuch einer Verhandlung verzichtet, da diese für Außenstehende meist recht langweilig ist. Hier wird in der Regel kein Sachverhalt dargestellt, man bezieht sich auf die gewechselten Schriftsätze, so dass nur die Beteiligten wissen worum es geht. Zuschauer verstehen meist nur Bahnhof. Wer aber einen Gerichtstermin hat und unsicher ist, der kann sich gerne mal eine Verhandlung anschauen, um so die Situation kennen zu lernen. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich und wenn nicht, steht draußen ein Schild.
Unser Tag war jedenfalls recht gelungen.